Kreide vor der Kamera, kreischend bei der Predigt

Nach der heftigen Kritik des ARD-Autors Constantin Schreiber an den radikalen integrationsfeindlichen Freitags-Predigten in der Potsdamer Biosphäre kontert nun Imam Kamal Mohamed Abddallah mit versuchter Höflichkeit. Schreibers Arabisch sei nicht gut. Außerdem bietet er in seiner Predigt neuerdings eine grobe Zusammenfassung auf Deutsch. Annäherungsversuch oder Taktik?

Ein Report von Lutz Mark

Eine aufgebrachte Anwohnerin, Anfang 50, aus Potsdam/Bornstedt steht vor dem gläsernen Eingang der kommunalen Biosphäre Potsdam. Rund 600 hauptsächlich junge Männer mit Bärten kamen bei strahlendem Sonnenschein zum Freitagsgebet. Viele von ihnen aus Berlin. Die grauhaarige Frau versucht neugierig in die Orangerie zu gelangen, wird aber sofort von bärtigen Männern zurückgewiesen. Die Anwohnerin: „Hier beten nur Männer, sagte sie, ich solle raus. Ich frage mich, ob das wirklich so integrationsfördernd ist, was die hier treiben. Ich bin ja wirklich keine AfD-Anhängerin. Aber in der Straßenbahn habe ich es langsam mit der Angst gekriegt. Das werden jede Woche mehr.“ Ängstlich geht sie nach Hause. Ein Kamerateam des RBB hat in der Halle aufgebaut, auch wenn die Redakteurin im bunten Sommerrock mit ihrem Mikrofon vor der Tür wartet.
Drinnen betet Kamal Mohamed Abdallah, arabisch für Vollkommenheit, Gottesgesandter und Diener Gottes, mit heller Stimme. Minutenlang arabisch. Dann folgt eine eher radegebrochene, deutsche Kurz-Zusammenfassung. Die Stimme wird weicher. Es folgen Allgemeinplätze:  „Ein Kluger Mensch nimmt den Rat anderer an.“ Und dergleichen mehr. Radikal hört sich die Übersetzung nicht an. Dann im Arabischen überschlägt sich die Stimme des Imams wieder, wohl wissentlich, dass eine Kamera auf ihn gerichtet ist.

Kritik vom integrierten deutschen Muslim

Der 45-jährige ehrenamtliche selbsternannte Imam der Al Farouk Moschee und erster Vorsitzender der Muslime in Potsdam trägt rotes Palästinensertuch, Kampfweste und kakifarbene Pumphose. Er scheint sich seiner Sache ziemlich sicher zu sein, wenn er arabisch spricht. An seiner Seite ein deutscher Konvertit Ende 20, mit kurz geschorenem, braunen Bart.
Vor der Tür in der Sonne hat die Reporterin einen älteren Mann entdeckt. Es ist der 1974 aus Damaskus nach Deutschland gekommene Nierenfacharzt Dr. A. Nassif, Anfang 70. Er lebt seit mehr als zwei Jahrzehnten in Potsdam. Er stammt aus einer syrischen Ärztefamilie und beschreibt die Ungezwungenheit, die früher in seinem Land herrschte, mit Verschleierung umzugehen. Das sei durch die wahabitischen Glaubenseiferer aus Saudiarabien heute alles weg. Er hörte von den radikalen Predigten und sah in einem RBB-Fernsehbericht, wie der Potsdamer Imam seine fünf Kinder verhüllt. Der Arzt: „Das ist wie im Mittelalter. Er nimmt ihnen damit einen Teil ihrer Identität. Ich möchte gerne von ihm wissen, warum er das macht und warum er sich nicht seinem Gastland etwas mehr anpasst?“ Über die Predigt meint der alte Mann:  „Er zitiert nur Menschen, die den Propheten mittelbar kannten, also sehr weitläufige Quellen. Da lässt sich viel hineininterpretieren, was er auch tut.“

Vor der Tür nach dem Gebet tritt er auf den Imam zu, der von seinem Konvertiten und drei Sicherheitsleuten begleitet wird. Die RBB-Journalistin mit dem bunten Rock hält ihr  Mikrofon mit ausgestrecktem Arm entgegen, als würde sie ein Raubtier füttern wollen. Die Kamera läuft. Der Konvertit will wissen, wer all die Leute sind. Verkniffen blicken drei offensichtlich arabische Sicherheitsleute auf die Pressevertreter.
Der alte Mann stellt seine Frage nach den verschleierten Kindern. Der Imam weicht aus. Es seien nicht seine Kinder. Die seien viel größer. Offenbar weiß er, dass im Fernsehbericht vier kleine, verhüllte Mädchen gezeigt wurden. Außerdem habe doch jeder das Recht sich zu verschleiern. Der alte Mann fragt, wo das im Koran stehe, dass man auch Kinder verschleiern muss? Der Imam weicht aus. Man befinde sich doch in einem freien Land.
Dann krätscht der Konvertit dazwischen und erinnert an die vier Hauptausrichtungen des Islam, nach denen das doch jedem Muslim frei stehe. Was die Frage nicht beantwortet. Milde lächelnd bleibt der Imam vage in seiner Auskunft. Keine Spur mehr von den kreischenden, lauten arabischen Tönen in der Halle. Offenbar hat er sich ausgetobt und will jetzt nur noch schnell nach Hause.

Der Kameramann packt ein. Der alte Mann und ein Journalist gehen langsam zu ihren Autos. Der Imam bleibt mit seinen Bewachern zurück, um die ein paar Kinder herumschleichen. Dann besteigt er einen alten Mini-Van und fährt davon.

Entwarnung?

Einen Tag zuvor hatte Brandenburgs Verfassungsschutz-Chef  Carlo Weber noch im Innenausschuss erklärt, es gäbe Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen im Land. Er habe Mitarbeiter, die arabisch sprechen würden. Beim diesem Freitagsgebet war von denen keiner zu erkennen. Weber hofft, dass sich ein „Moderner Euroislam“ etabliere. Mit der Realität an diesem Freitag hat dieser Wunsch nur wenig zu tun. Außerdem ist er mehrere Jahrhunderte alt und nirgends dauerhaft Realität geworden.
Bisher behauptete die Potsdamer Stadtverwaltung, dass in den vergangenen Jahren mehrere muslimische Glaubensgemeinschaften entstanden seien. Der brandenburgische Verfassungsschutz hat bisher nur Kenntnis von zweien. Der brandenburgische AfD-Innenexperte, Thomas Jung, fordert: „Alle Predigten im Land müssen auf Deutsch gehalten werden. Hassprediger müssen das Land sofort verlassen. Es darf nicht sein, dass wir so eine Integrationsverhinderung auch noch mit Steuergeldern finanzieren.“
Unterdessen warnt das Bundesamt für Verfassungsschutz vor mehr als 10 000 Salafisten in Deutschland. Politiker der Altparteien fordern jetzt auch lautstark: „Salafistische Hassprediger müssen konsequent ausgewiesen und deren Hinterhof-Moscheen geschlossen werden“, so SPD-Innenexperte Burkhard Lischka. Unions-Innenexperte Stephan Mayer stellt  „auf sehr besorgniserregende Weise eine Gefahr“ fest, die „vom politisch fanatisierten Islam und insbesondere vom Salafismus“ ausgehe.

Was passiert in Potsdam?

Unterdessen predigt der als Palästinenser im Libanon geborene Imam mit deutschem Pass weiter. Die Stadt gibt ihm rund 1500 Euro pro Gebetsrunde, rund 20 000 Euro im Jahr. Nebenbei arbeitet der gelernte Eisenschmied im Cecilienhof für eine Servicegesellschaft der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten und säubert mit missionarischem Eifer deutsches Kulturgut.